Geschichte der Gemeinde

Im Norden des Kärntner Lavanttales liegt ein schmales Talbecken, im Osten umrahmt von der Packalpe, westlich liegen die Seetaler Alpen, mittendrin ist das „Reichenfelser Becken“ eingeschlossen. Hier liegt die kleine Marktgemeinde Reichenfels auf einer Seehöhe von 809 m. Schaut man in nördlicher Richtung sieht man den Obdacher Sattel, der eine natürliche Barriere zwischen den Bundesländern Kärnten und Steiermark darstellt.

Reichenfels, dieser Name lässt erahnen, warum viele hundert Jahre lang das in Nordbayern gelegene Bistum Bamberg so großes Interesse an diesem Flecken Land gezeigt hat. Ehemals reiche Erzvorkommen, vor allem an Silbererzen, haben lange Zeit das Bild des Ortes und des umliegenden Landes geprägt.

Im Bereich einer alten Römerstraße gelegen, war das Gebiet ursprünglich nur sehr dünn besiedelt. Dann kamen im 11 Jahrhundert große Teile des oberen Lavanttales in den Besitz des fränkischen Bistums Bamberg. Schon von Anfang an überließ der jeweilige bambergische Bischof seinen Untertanen Land, damit sie es fruchtbar machten.

Im Laufe des 11. oder 12. Jahrhunderts entstand am Eingang zum Sommerauer Graben die Burg „Richenvelse“, deren Name irgendwann auch auf den am Fuße der Burg entstehenden Ort übergegangen ist. Wahrscheinlich waren die Errichter der Burg ein uns heute nicht mehr bekanntes Adelsgeschlecht. Um 1200 kam die Burg in den Besitz des Bistums Bamberg, von nun an residierte hier ein Pflegsverwalter, der die Burgherrschaft als Lehen erhielt. Bis in das Jahr 1759, in diesem Jahr wurden die Besitzungen an das österreichische Kaiserhaus verkauft, war die Burg, die inzwischen den Charakter eines kleinen Schlosses angenommen hat, fast ständig bewohnt. Danach verfiel sie und heute sind nur mehr unbedeutende Mauerreste vorhanden. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde auch die Kirche St. Jakob errichtet.

Die Existenz von Silberminen ist urkundlich ab dem Jahr 1227 belegt, das genaue Jahr der Entdeckung der Vorkommen ist heute nicht mehr bestimmbar. Auch die genaue Lage der Minen, im Bereich der heutigen Sommerau, ist nicht bekannt. Das Hochstift betrieb den Erzabbau einerseits selbst, andererseits wurden auch Schürfrechte an Gewerken verpachtet. Alle wiederum stellten Bergknappen für den eigentlichen Abbau an. Die im Laufe der Jahrhunderte geförderten Erze waren Silber, Gold, Kupfervitriol, Eisenerz und Arsenik.

Zu Abgaben und Arbeitsleistungen verpflichtete Bauern bewirtschafteten die im bambergischen Besitz befindlichen Wälder, Wiesen und Almen.

Durch die Bergbauerfolge begünstigt wuchs natürlich auch die Ortschaft Reichenfels, wo im Laufe der Zeit viele Handwerkszünfte entstanden.

Im Jahre 1227 griff Graf Bernhard von Spanheim, Herzog von Kärnten, nach den bambergischen Besitztümern mit der Absicht ein einheitliches, unter seiner Herrschaft stehendes Herzogtum zu schaffen. Der damalige Bischof von Bamberg wandte sich an den Papst, den Kaiser und den Herzog von Österreich. Die auf diplomatischem Wege ausgetragene Fehde führte letztendlich zum Abzug der Herzoggetreuen aus den besetzten Gebieten.

Im Jahr 1457 erhielt der Ort Reichenfels das Recht einen Wochenmarkt abzuhalten, was zur damaligen Zeit ein entscheidender Akt zur Weiterentwicklung darstellte Zusätzlich zum Marktrecht gewährte das Bistum auch das Privileg zur Wahl eines Marktrichters und von Markträten. Einen eigenen Gerichtstag bekamen die Reichenfelser aber nie. Die Gerichtsbarkeit blieb beim Pfleger, dem Vizedom (der nächsten Verwaltungsinstanz) oder beim Landgericht.

Im Schicksalsjahr 1480 verwüsteten die Türken die gesamte Ortschaft und brannten fast alle Gebäude nieder. Viele Jahre wurden danach gebraucht bis die ärgsten Schäden beseitigt waren.
Kaum waren die Türken abgezogen brach eine Heuschreckenplage über das Land herein. Dies bedeutete für die überlebende Bevölkerung eine viele Monate andauernde Hungersnot.
Darüber hinaus eroberten und besetzten 1481 Ungarische Truppen die nahe gelegene Burg Twimberg, von der aus sie 9 Jahre das Umland plünderten und alle in Angst und Schrecken versetzten.

Im 16. Jahrhundert breitete sich im Lavanttal die Reformationslehre des Dr. Martin Luther aus. Die im späten 16. Jahrhundert einsetzenden Gegenreformationsmaßnahmen stellten auch die Reichenfelser Bevölkerung vor die Wahl entweder sich wieder zum katholischen Glauben zu bekennen oder ins Exil zu gehen.

1562 erneuerte der damalige bambergische Bischof die Marktrechte und stiftete ein Marktsiegel.

1604 starb der letzte ortsansässige Pfleger, Matthias Bienlein, dessen Grabstein sich noch heute an der Südwand der Kirche St. Jakob befindet. Die Verwaltung der Herrschaft Reichenfels ging von nun an von der südlich liegenden Stadt St. Leonhard aus.

In den Jahren 1680 bis 1717 hatte die große, europaweite Pestwelle auch Reichenfels erreicht, am stärksten wütete sie im Jahre 1715. Dieser Seuche sind letztendlich große Teile der damaligen Bevölkerung zum Opfer gefallen.

Nachdem die Erzquellen nach und nach versiegten und das inzwischen erstarkte österreichische Kaiserhaus, dem die im eigenen Kerngebiet liegenden Ländereien mehr und mehr ein Dorn im Auge waren, auf eine Lösung drängte kam es letztlich am 5. Mai 1759 zum Verkauf der in Österreich liegenden bambergischen Besitztümer an das österreichische Kaiserhaus. An den nun folgenden Veränderungen, hinter denen vor allem Kaiserin Maria Theresia stand, erkannten auch die Reichenfelser, dass sich etwas geändert hat. Ein reformiertes, zentralisiertes Staatswesen begann Fuß zu fassen. Es kam im gesamten Habsburgergebiet zu einer ersten Volkszählung, die Länder wurden in Bezirke und diese wiederum in Steuer- und Katastralgemeinden eingeteilt. Bürgerwehren wurden formiert und Feuerwehren gegründet. Für alle herrschaftlichen Belange waren nun kaiserliche Beamte zuständig. Die Reform des Bildungswesens führte zu einer ersten Erwähnung einer Reichenfelser Schule, im Jahre 1784.

1806, als die Franzosen unter Napoleon nach Wien zogen, wurde auch Reichenfels von französischen Soldaten heimgesucht, die Reichenfelser mussten ihr Hab und Gut hergeben, um zu verhindern, dass ihre Häuser in Schutt und Asche gelegt wurden.

Nach dem Ende der Franzosengefahr normalisierte sich das Leben bald und Kaiser Ferdinand I. bestätigte den Reichenfelsern das Recht alljährlich einen Jahr- und Viehmarkt abzuhalten.

1846 kaufte Graf Henkel von Donnersmark große Teile des ehemals bambergischen Besitzes, in dessen Familie verblieb dieser bis 1929.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war für die Reichenfelser Bevölkerung eine schwere Zeit, verbunden mit einigen sehr starken Umwettern und zerstörerischen Großbränden. Unabhängig davon stieg die Einwohnerzahl stetig an.

Anfang 1900 kam es zur Einweihung der Eisenbahnstrecke Zeltweg – Wolfsberg, das „moderne“, das 20 Jahrhundert war damit eröffnet. Im bald darauf folgenden ersten Weltkrieg mussten auch einige Reichenfelser auf den Schlachtfeldern ihr Leben lassen.

In vielen Teilen Österreichs konnte man 1918 das Ende des 1. Weltkrieges feiern, doch für die Lavanttaler Bevölkerung war noch nicht Zeit aufzuatmen. Damals entbrannte, als Folge der vom SHS - Staat erhobenen Gebietsansprüche, der Kärntner Abwehrkampf. Wiederum hieß es die Heimat zu schützen und die Einheit des Landes Kärnten zu bewahren.
Die Bevölkerung, der von den SHS Truppen besetzten Gebiete, befand sich auf der Flucht. Viele Familien zogen mit ihrem Hab und Gut durch den Twimberger Graben ins obere Lavanttal, um sich dort und in den steirischen Nachbargemeinden in Sicherheit zu bringen. Die Marktgemeinde Reichenfels stellte damals einen Zufluchtsort für viele Menschen dar.
Als die Gefahr für das südliche Lavanttal und auch für die Bezirkshauptstadt Wolfsberg zu groß wurde, begann man die Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg zu evakuieren. Die Beamten flüchteten mit ihren Akten nach Reichenfels, im Reichenfelser Feuerwehrdepot wurde das Archiv gelagert. Als nach den Machtworten der Siegermächte und der Abhaltung der Kärntner Volksabstimmung, am 10. Oktober 1920, die Lage endlich geklärt wurde, konnte wieder Frieden in das obere Lavanttal einkehren.

1929 verkaufte die Familie Henkel von Donnersmark viele Besitzungen an die Herzogin von Lichtenberg, welche 1935 wiederum diese Besitztümer an die Holzeinkaufstelle der schweizerischen Papierindustrie, kurz „HESPA“ weiterverkaufte.

Die Weltwirtschaftskrise, um 1930, ging auch an Reichenfels nicht spurlos vorbei, einige Einheimische wurden in den Ruin getrieben.

Im zweiten Weltkrieg, der einen erneuten Aderlass an der männlichen Reichenfelser Bevölkerung darstellte, fielen auch Bomben von den alliierten Flugzeugflotten, deren Hauptziel die Zentren der steirischen Schwerindustrie waren, auf das obere Lavanttal. Zum Ende des Krieges war auch in Reichenfels vieles vernichtet.

In der nun folgenden, bis heute andauernden Friedenszeit konnte sich auch Reichenfels an dem Nachkriegs – Wirtschaftswunder beteiligen.

Von 1957 bis 1970 betrieb die Familie Steinkellner, Betreiber des gleichnamigen Hotels und Gasthofes, das „Filmtheater Reichenfels“. Dieser Saal wird auch heute noch für die verschiedensten Veranstaltungen genutzt.

Im Jahre 1967 kam es zur Einweihung eines Sesselliftes, der viele Jahre eine starke touristische Anziehung ausübte. Leider fehlten letztendlich finanzstarke Betreiber und auch die immer schneeärmeren Winter der letzten Jahre entzogen die wirtschaftliche Grundlage für eine Weiterführung des Sesselliftes. Nach mehrjährigem Stillstand konnte der Lift im Jahre 2004 nur mehr demontiert werden.

Eine weitere, sowohl für Einheimische als auch für Touristen interessante Einrichtung öffnete 1966 seine Pforten. Das Reichenfelser Freibad, nach immer wieder erfolgten Um- und Neubauten attraktiv wie eh und je, wird jeden Sommer von Jung und Alt gerne besucht.

Vor der letzten Jahrtausendwende zog sich die Hespa vollständig von Ihren Kärntner Liegenschaften zurück und verkaufte den gesamten Besitz an den Wirtschaftstreibenden Hans Tilly welcher in den darauf folgenden Jahren fast alles an viele weitere Interessenten weiterverkauft hat. Von den ehemals weitläufigen bambergischen Besitztümern ist heute damit nichts mehr vorhanden.

Reichenfels stellt heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine kleine, aber feine Wohngemeinde dar, mit einem attraktiven Dienstleisterangebot und noch bezahlbaren Lebenshaltungskosten. Die vielen jungen Familien die in den letzten Jahren sich entschlossen haben hier zu bleiben oder auch nach Reichenfels zu ziehen zeigen, dass die Gemeindevertreter auf dem richtigen Weg sind. Das im Verhältnis zur Einwohnerzahl sehr aktive Vereinsleben zeigt, dass in diesem Ort noch miteinander gelebt wird. Aber wenn alle zusammenhalten und viele an der Zukunft mitgestalten wird auch zukünftig Reichenfels ein liebenswerter Ort mit einer langen, interessanten Geschichte bleiben.